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Ars Phantastica


“Sei gegen deine Zeit”... (Fabius von Gugel)

Hellmuth Neukirch

Die phantastische Malerei hat eine lange Tradition, die bis Hieronymus Bosch und weiter in die Vergangenheit zurückreicht. Es ist auch heute noch eine Malweise, die über die spätgotische Kunst Boschs, über Manierismus, Symbolismus, phantastischen Realismus und ars phantastica neben dem Formalen das Inhaltliche stark betont. Adepten von Richtungen, deren Bestreben dahin zielt, Kunst „ rein“ zu erhalten, die also einer Gestaltungsweise anhängen, die sich inhaltlich im Formalen erschöpft, werden ihr das ankreiden. Ist aber eine Malweise, die wesensmäßig immer noch mit dem Ahnherrn Bosch zusammenhängt, in unserer wissenschafts- und verstandesbetonten Zeit überhaupt noch aktuell? Ist es nicht anachronistisch, Dämonen, Gespenster, Hexen und Lemuren, die in früheren Zeiten oft mehr waren als nur Geschöpfe der Phantasie, auch noch im 2O. und 21. Jahrhundert zu malen und zu gestalten? Angesichts einer Menschheit aber, die in angeblicher Konsequenz ein Arsenal an vernichtenden Waffen aufgestapelt hat, und im „ Overkill“ Verfahren mehrfach die ganze Menschheit und selbstverständlich auch alle Tier- und Pflanzenwelt auslöschen könnte, ist die Situation dämonischer denn je. Auf unserem Planeten wird das ökologische Gleichgewicht durch gewissenlose Profitgier, Ausbeutung der Natur, Umweltkatastrophen, Klimaveränderungen und massive Schädigung der Ozonschicht gestört. Dadurch wird die Fortschrittsgläubigkeit der wissenschaftlich- verstandlichen Bereiche arg ins Wanken gebracht. Auf diese düstere Situation kann kaum mit einigen kühl- dekorativ ausgerichteten Senkrecht-Waagerecht-Balken der immer noch tätigen Mondrian- Malewitsch- Epigonen geantwortet werden.

Oft wird behauptet, es gäbe in der phantastischen Kunst kaum eine stilistische Entwicklung. und deshalb würden auch die Zeitbezüge weitgehend entfallen. Im Gegenteil hat sich im Verlauf der Jahrhunderte doch ein jeweils mit der Zeit verbundener Stilwandel vollzogen. Über Künstler wie Grünewald, Goya, Bresdin, Moreau, Redon, Max Ernst, Oelze und Giger kann auch der stilistische Wandel erlebt werden. Die ambivalenten phantastischen Verknüpfungen geschehen heute oft fließender als bei Hieronymus Bosch, der bereits bekannte Teile eines Wesens sozusagen neu „ montiert“ hat, ein übrigens sehr surreales Verfahren, während sich Übergänge in antropomorphen Landschaften Oelzes „nahtloser“ vollziehen. Hier ist auch eine Annäherung an die gegenstandslose Kunst zu konstatieren. Ein typisches Beispiel hierfür wäre das späte Werk von Wols. Aus diesen Andeutungen kann gesehen werden, dass bei den wichtigen Malern der heutigen Ars phantastica nicht das Stilistische traditionell ist, sondern die Tradition sich im Wesensmäßigen äußert. Unsere Urängste sind geblieben und drängen zur Gestaltung.

Nach der Stilexplosion im 2O. Jahrhundert hat auch die Malerei der Ars phantastica die mannigfaltigsten Ausprägungen erhalten. Der Weg führt oft sehr weit fort vom klassischen Surrealismus, in dem sich die meisten Kräfte des Phantastischen in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zusammenfanden.

Die Malerei von Hellmut Neukirch gehört zur ars phantastica. Wenn man diese Bilder betrachtet, fallen zwei Themenbereiche auf. Zum einen die Reaktion auf die immer rabiater sich vollziehende Gewalt und Vernichtung auf unserem Planeten, also in phantastischem Stil gezielte Zeit- und Umweltkritik. Zum anderen Bilder mit ausgesprochen märchenhaftem, mythologisch- pantheistischem Charakter, die ganz dem inneren Erleben des Malers angehören. Diese Bilder entstehen durch einen sich über viele Monate hinziehenden Arbeitsvorgang. Die meist angewandte Harz- Öllasurmalerei wird in vielen dünnen Schichten – oft bis zu fünfzehn- übereinandergelegt. Diese Maltechnik gibt den Bildern Transparenz und Leuchtkraft. Changierende Wirkung und viele Valeurs werden angestrebt. Transparenz, auch ein wichtiges Stilmittel, lassen die Bilder oft wie übereinander gelegte Schleier erscheinen, welche die magische Wirkung erhöhen. Einer Primamalerei bleiben solche Wirkungen versagt. Sehr wichtig ist auch die Strukturbildung als zeitgemäßes Mittel heutiger phantastischer Malweise. Die Bilder haben eine starke , innere Dynamik, Bewegungsabläufe werden in ihr wichtig- wie in der Musik, die auch eine bevorzugte Anregung für Neukirchs Malerei ist. Die Arbeiten reichen vom Konkreten zum Nichtgreifbaren, von ausgeprägter Deutlichkeit bis zur Auflösung an der Grenze des Ungegenständlichen. Die Bilder verfügen über einen großen Reichtum an Detailformen, vergleichbar der Vielfalt der Natur. Die indische Reliefkunst mit ihren zahllosen Einzelformen wird zu einem Ideal des Malers. Keine spartanische Einfachheit, keine abstrahierende Versimpelung.

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